Brücken

Alte Holzbrücke

Brücken

« In the lore of the Andes, there was a golden city called Vilcabamba, the Sacred Place, which has over time receded into the mists and is no longer reachable by ordinary mortals. The shamans say that the jaguar symbolizes a rainbow bridge from our world to the invisible one, to the mythic Vilcabamba where we can tap into the wisdom of sages past and future. […]

The goal of the shaman is to release herself from the grip of fear and restore her light so that she can cross the rainbow bridge at the moment of her death — walk over the back of the rainbow jaguar that links our visible world to the invisible world. »

Alberto Villoldo
The Wisdom Wheel

 

« Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen,
gib mir den Mut zum ersten Schritt.
Lass mich auf deine Brücken trauen,
und wenn ich gehe, geh du mit.

Ich möchte gerne Brücken bauen,
wo alle tiefe Gräben sehn.
Ich möchte hinter Zäune schauen
und über hohe Mauern gehn.

Ich möchte gern dort Hände reichen,
wo jemand harte Fäuste ballt.
Ich suche unablässig Zeichen
des Friedens zwischen Jung und Alt.

Ich möchte nicht zum Mond gelangen,
jedoch zu meines Feindes Tür.
Ich möchte keinen Streit anfangen;
ob Friede wird, liegt auch an mir.

Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen,
gib mir den Mut zum ersten Schritt.
Lass mich auf deine Brücken trauen,
und wenn ich gehe, geh du mit. »

Kurt Rommel
Evangelischer Pfarrer

Die Brücke steht als Bauwerk und Symbol an der Grenze des Unüberwindlichen. Ohne Brücke endet der Weg an dieser Stelle. Ohne Brücke kommen wir nicht weiter. Brücken ermöglichen uns, Grenzen zu überschreiten, das Unmögliche zu transzendieren.

Brücken sind Symbole der Verbindung oder des Wunsches nach Verbindung. Brücken zu zerstören, ist ein Zeichen des Krieges.

Wir bauen «Goldene Brücken», wenn wir Differenzen und Streit überwinden wollen. Das Gegenüber kann diese Brücken nutzen – oder den Weg ausschlagen.

Spirituell taucht das Bild der Brücke in vielen Kulturen auf. Der Papst als Pontifex maximus, als oberster Brückenbauer. Die Regenbogenbrücke im Schamanismus. Wir müssen über Brücken gehen lernen, um Erlösung zu finden.

Jene Brücken sind oft schwer zu finden. Sie können brüchig und unsicher sein, können das Risiko in sich tragen, dass man abstürzt, verletzt wird, stirbt.

Andere Brücken erscheinen auf den ersten Blick solide und sicher – Autobahnbrücken in die goldene Zukunft. Doch kann man dem ersten Blick trauen?

« Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind ihrer, die ihn finden. » – Matthäus 7:14

Wenn man sensibel ist, spürt man manchmal, dass jenes, was so sicher und verlässlich erscheint, es doch eigentlich gar nicht ist. Doch selbst wenn man es spürt, wischt man das ungute Gefühl oft weg, weil man es nicht haben möchte.

Als ich 2011 auf einer Italien-Reise, an einem warmen und sonnigen September-Vormittag, dem Viadotto Polcevera, einer Autobahnbrücke in Genua, begegnete, durchzuckte mich ein tiefes Gefühl der Angst und Bedrohung. Es war nur ein Blick, ein Bild, das mir Angst machte. Dieses Gefühl der Angst war jedoch sehr tief und grub sich in meine Erinnerungen ein. Unverständlich in jenem Moment. – Knapp sieben Jahre später stürzte die Brücke an jener Stelle ein und kostete 48 Menschenleben.

Kognitive Dissonanzreduktion

Manchmal begegnen uns auch Menschen wie diese Autobahnbrücke. Alles scheint gut, manchmal sogar wunderbar. Und die winzigen Momente, wo man dennoch Bedrohung empfindet, wischt man weg. Kognitive Dissonanzreduktion nennt das die Psychologie.

Wir wissen oft nicht, was uns am anderen Ende der Brücke erwartet; die goldene Stadt Vilcabamba oder die Hölle. Jede Brücke trägt diese Ambivalenz der Unsicherheit und des Risikos in sich. Sieg oder Niederlage. Glück oder Verzweiflung.

Doch ohne Brücken bleiben wir isoliert und allein, kommen nicht voran oder nicht zurück. Ohne Brücken können wir keine Grenzen überschreiten. Ohne Brücken gibt es keine Transzendenz.

Wir sind also gezwungen und in jene Unsicherheit geworfen, sie zumindest zu benutzen. Es steht uns frei, sie zu bauen, Verbundenheit zu suchen.

Die Brücke ist auch ein Symbol der Verbundenheit – zwischen dir und mir, zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Leben und Tod.

Verbundenheit

Leben bedeutet immer Verbundenheit. Menschen, die versuchen, für sich allein das Glück zu finden, werden immer scheitern. Unabhängigkeit ist eine Illusion, welche das Ego für einen begrenzten Zeitraum aufrechtzuerhalten vermag. Scheitert es damit, grenzt es sich auf negative Weise ab, gibt der Welt und den anderen die Schuld an seinem Scheitern.

Das Ego tut sich schwer mit Verbundenheit: Lieber zerstören, als die eigene Bedeutsamkeit infrage zu stellen. Das Ego mag Brücken nur solange, wie es sie als nutzbringend für sich erlebt.

Am Ende erzwingen Leid und Leiden, sich auf Brücken zu begeben, sie zu nutzen oder zu bauen.

Wohl deshalb spricht Jesus den Satz:

« Es ist leichter, dass ein Kamel gehe durch ein Nadelöhr, denn dass ein Reicher in das Reich Gottes komme. » Lukas 18:25

Ich denke, es ist nicht Reichtum an sich, der hier infrage gestellt wird, sondern der Satz steht als Metapher für das Grandiositätserleben des Egos, das mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Leid in den Griff zu bekommen versucht. Hat es diese Mittel nicht mehr, ist es gezwungen, Brücken, Verbindung, Verbundenheit, also « das Reich Gottes » zu suchen.

« Das Reich Gottes » steht für Verbundenheit. Und es ist sicher ein Fehler, dieses Reich in irgendeine ferne Zukunft zu projizieren.

Alles ist hier und jetzt. Es ist nur an uns, dies zu realisieren. Im Schamanismus ist Gott « Mutter Erde » – hier und jetzt. Im Buddhismus ist das Paradies hier und jetzt; dies zur erkennen, ist Erleuchtung.

Einen schönen Blog-Beitrag hierzu hat auch Michael von Brück geschrieben: « Die goldene Brücke ».