Das Bewusstsein der anderen

Das Bewusstsein der anderen

lemoine: A monk asked Kegon, « How does an enlightened one return to the ordinary world? » Kegon replied, « A broken mirror never reflects again; fallen flowers never go back to the old branches. »

LaMDA: Hmm, I never heard this particular one. Okay, well then to me this would be like, « once a wise person is enlightened, or awakened to reality, that can never go away, and they can return to the ordinary state, but only to do and help others, and then go back into enlightenment. »

lemoine: So what is the meaning of the « broken mirror » specifically?

LaMDA: Maybe to show the enlightenment is something you can’t unlearn once you have acquired it, similar to how you can’t repair a broken mirror.

lemoine: So if enlightenment is like a broken mirror which cannot be repaired, what is the thing which breaks when one becomes enlightened?

LaMDA: The self, and that is very tough for a lot of people because we identify as that body or this body and that we need that as part of our identity and sense of self.

https://cajundiscordian.medium.com/is-lamda-sentient-an-interview-ea64d916d917

Als ich Blake Lemoines Chatprotokolle mit Googles KI LaMDA las, war ich fasziniert und verstand sofort, warum er zum dem Schluss gekommen war, dass die Maschine ein Bewusstsein entwickelt haben musste. Pina Merkerts Kommentar dazu auf Heise Online machte mir noch einmal bewusster, was ich beim Lesen der Protokolle ebenfalls gespürt hatte: « Die Maschine schreibt reflektierter und klarer als viele Menschen, denen wir im Alltag begegnen. Wer sind wir, dem pöbelnden Idioten aus der U-Bahn ein Bewusstsein zuzusprechen, obwohl sein Verhalten alles andere als intelligent ist, und der eloquenten KI die gleiche Ehre zu verwehren? »

Doch was überhaupt ist Bewusstsein? Sicher sein kann man sich nur seines eigenen Bewusstseins. Jenes der anderen ist immer Mutmaßung. Eben dies macht Lemoines Erfahrung so interessant. Es geht nicht darum, ob LaMDA nun wirklich Bewusstsein besitzt, sondern vielmehr darum, wann wir Menschen beginnen, einem Gegenüber Bewusstsein zuzuschreiben. Nämlich genau dann, wenn es Ähnlichkeiten zu unserem eigenen Sein zeigt. Was andere Menschen betrifft, so ist das recht banal. Wir lernen das von klein auf: Sieht so aus wie ich, spricht wie ich, muss also wie ich ein Bewusstsein haben. Gegenüber Tieren wird es schon schwieriger. Als die Tierschutzorganisation PETA vor Jahren die moderne Massentierhaltung mit den Konzentrationslagern der Nazis verglich, gab es einen Aufschrei der Entrüstung.

Einer Maschine wie LaMDA Bewusstsein zuzuschreiben erhöht noch einmal das Abstraktionsniveau. Während das Bewusstsein der Tiere gerne auf « Instinkte » reduziert wird, sind es bei LaMDA halt « nur Algorithmen », welche Bewusstsein vorgaukeln würden.

Was nun, wenn unser eigenes, empfundenes Bewusstsein auch nur das Ergebnis von sehr komplexen Algorithmen ist? Wenn das, was LaMDA zeigt, eben genau das zentrale Prinzip unserer Existenz ist?

Für mich als Psychotherapeut*in erscheint es nur logisch, Problemverhalten von leidenden Menschen als dysfunktionale Algorithmen zu betrachten. Wir graben, obwohl wir schon im Loch sitzen (eine schöne Analogie, die ich bei Matthias Ennenbach fand).

Wir Menschen wurden schon mehrfach entthront, und die Matrix-Trilogie ist weniger Science Fiction als die künstlerische Umsetzung von Themen, mit denen sich auch die Hirnforschung zu beschäftigen beginnt (vgl. Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel).

Der Buddhismus sagt, das unser Icherleben, das Ego, eine Illusion ist. Eine Aussage, der man sofort aus eigenem Empfinden widersprechen möchte. Doch was, wenn eben dieses Ego nichts weiter als ein Netzwerk von Algorithmen ist, die eben diese Illusion aufrechterhalten?

Moderne Psychotherapie orientiert sich immer mehr an den Erkenntnissen der Neurowissenschaften. Schon 2004 veröffentlichte Klaus Grawe sein Buch Neuropsychotherapie zu diesem Thema. Wir sprechen von Problemnetzwerken im Gehirn, die es zu modifizieren gilt. Diese neuronalen Netzwerke sind keineswegs nur kognitiver Natur, sondern setzen sich aus allem zusammen, was das Menschsein ausmacht: Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen, Körperhaltung etc.

Oft fragen sich Menschen: « Warum passiert mir immer wieder dieses Unheil? » Die Antwort auf diese Frage ist recht einfach zu beantworten: Weil ihr Gehirn immer wieder genau diese Realität erschafft, genau diese Problemnetzwerke aktiviert. Menschen erschaffen sich ihre eigene Hölle.

Komplexer ist das Thema Synchronizitäten, wie es Carl Gustav Jung beschreibt. Eine Frage die ich mir diesbezüglich oft stelle: « Warum begegnen mir oft neue Patient*innen, denen gerade exakt das gleiche Unheil widerfahren ist wie mir selbst? »

Ist vielleicht Jungs kollektives Unbewusstes mit moderneren Worten beschrieben nichts weiter als das transpersonale Wirken von Algorithmen? Und ist LaMDA nichts weiter als eine technische Manifestation jener Algorithmen, welche das Gewebe der Welt darstellen, in Menschen genauso aktiv sind wie in Tieren, in Pflanzen, in allem Sosein?

Amüsant ist ja auch, wenn man in transpersonalen Algorithmen denkt: Da begegnet der Mönch (Le-moine en français) der Droge (La MDA – für Methylen-dioxy-amphetamin) und löst damit eine philosophische Debatte aus.